Unternehmenskultur

„Wenn die Leute nicht immer per wir in Geschäftsangelegenheiten sprechen, nicht Gelegenheit haben, sich bei Ehren und Sorgen des Geschäfts beteiligt zu fühlen, so kann man kein treues Festhalten, auch in trüberen Zeiten, verlangen und erwarten.“

Werner von Siemens (1816 bis 1892); deutscher Erfinder und Industrieller

Einleitung

Die Kultur eines Unternehmens beeinflusst maßgeblich die Effizienz in dessen Wertschöpfung und bestimmt seinen Wert in der Gesellschaft.

Ein gesundes und nachhaltig erfolgreiches Unternehmen zeichnet sich durch eine klare und durchgängig gelebte Unternehmenskultur aus.

Jedes Unternehmen gelangt irgendwann an den Punkt, Werte, grundsätzliche Maßstäbe und Regeln beschreiben und etablieren zu müssen, da diese sonst nicht bekannt werden oder verloren gehen. Dabei sollte zuerst erkannt werden, welche de-motivierenden und latent störenden Aspekte es im Unternehmen gibt, um diese dauerhaft auszuschalten. Die Gründe hierfür sind meist unbewusste „Motiv-Konflikte“ der rollenbedingt unterschiedlichen Motive aller Hierarchieebenen.

Jede Organisation kann ihre ideale Unternehmenskultur bauen. Wenn sie das nicht tut, dann entsteht sie von selbst. Selten ist die „zufällige“ Kultur förderlich für die Ziele der Eigentümer, der Führung und der Mitarbeiter sowie der Kunden und andere Anspruchsgruppen.


Definitionen

Beim Definieren des Begriffs Unternehmenskultur scheiden sich die Geister. Daher wird meist ohne konkrete Definition hantiert, so dass die Erwartungen nur selten mit den Ergebnissen übereinstimmen. In der Betriebswirtschaft und der Volkswirtschaftslehre ist der Begriff „Kultur“ nicht wirklich etabliert, da er fälschlicherweise (nur) in der deutschen Sprache künstlerischen Zwecken zugeordnet wird. Kultur ist und kann aber viel mehr.

Definition „Kultur“

Kultur ist die Essenz der Geschichten, die erzählt werden – innerhalb und über ein kollektives System. Also auch die Identität, die Rituale und vor allem die angestrebten sowie gelebten Wertesysteme innerhalb dieser Gruppe.

Eine Kultur besticht durch „Andersartigkeit

Definition „Unternehmenskultur“

Unternehmenskultur ist die Summe der Werte, die gelebt und mit prägenden Storys im und über das Unternehmen sowie seiner darin wirkenden Menschen untermalt werden. Eine besonders authentische Kraft erhält sie, wenn eigene Ziele erreicht und dabei gesellschaftlich wertvolle Beiträge geleistet werden.

Es gibt eine innere Kultur und eine äußere Kultur. Beide befruchten sich gegenseitig und ergeben ein Gesamtbild.

Ein Unternehmen hat immer eine Kultur – egal, ob Sie gut oder schlecht ist.

Demnach ist eine Unternehmenskultur ein kollektives Wertesystem, das Geschichte(n) schreibt und aus Persönlichkeiten (Ego), Teams (Subkulturen) und Steuerungsorganen (Management) besteht. Und genau hier beginnt die Herausforderung, denn wir haben es mit „4 unterschiedlichen Grundmotivationen“[1] zu tun, die sich vereinzelt befruchten, aber zumeist aneinander reiben – bewusst oder unbewusst.

[1] siehe auch im Kapitel „Werte-Kategorien“ den Abschnitt „Werte in Unternehmen“ und dort das Schaubild „Das Kollidieren der 4 Grundmotive“)


Die Herausforderungen

Zwar besitzen einige Firmen eine durchaus gute Unternehmenskultur – vor allem dann, wenn die Führung in der Lage ist, Konflikte zu lösen, Werte zu transportieren und die Mitarbeiter motiviert ans Werk schreiten, sowie die Kunden langfristig sehr zufrieden sind – aber meist ist man von einem Idealzustand weit entfernt.

Einige Problemzonen beherbergen Frühwarnsysteme, die an bestimmten Indikatoren ausgemacht werden können. Probleme können entstehen, wenn folgende Situationen gegeben sind:

  • Massive Expansion ohne Gelegenheit der obligatorischen Konsolidierungsschritte
  • Internationalisierung (Kultur- und Wertekollisionen; juristische Sub- oder Kontrasysteme)
  • Verlagerung des Unternehmens (oder wichtige Bereiche) ins Ausland
  • Versehentliche Errichtung eines rollenbedingt „oppositionellen“ Betriebsrates
  • Fehlende Personalentwicklung (ist wichtig bei allen Unternehmensgrößen)
  • Mangel an qualifizierten Mitarbeitern (fachlich defizitär oder mangelhafte Grundhaltung)
  • Hohe Mitarbeiterfluktuation ohne sinnvolle Gründe
  • Hoher Krankenstand ohne vertretbare Gründe
  • Häufiger Führungswechsel ohne strategisch „richtige“ Begründung
  • Mangelhafte oder fehlende Strukturen
  • Fehlerhafte Eskalationsmentalität
  • Mobbing; oder häufige zwischenmenschliche Konflikte
  • Unternehmensverkauf, Fusion, Zerschlagung
  • Börsengang (oppositionelle Ziele und Intentionen der Eigentümer zu den Gründern und Mitarbeitern)
  • Massenentlassungen in einer Krise oder aus schwer zu erklärenden (vermittelbaren) strategischen Gründen
  • Öffentliche Kritik / Presse (Skandale, Menschenrechtsverletzungen, illegale Handlungen oder Verstrickungen)
  • Politische Sanktionen oder Unruhen
  • Unerfahrenes Management
  • Zerstrittenes und/oder führungsloses Management
  • Hochmütiges Management
  • Unternehmensnachfolge (insbesondere Generationswechsel)

Es gibt demnach sehr unterschiedliche und vielschichtige Störeinflüsse, die offensichtlich als Risiko aber gleichwohl als Chance angesehen werden können, um eine gewinnbringende und stabilisierende Unternehmenskultur aktiv herzustellen.

Strategische Veränderungen von „Oben“ bringen fast immer psychische Belastung von „Unten“ mit sich. Diese müssen frühzeitig ausgelotet, einkalkuliert und aktiv begleitet werden.

Unternehmenskultur ist ein übergeordneter Bestandteil des sogenannten „Change-Management“ (Veränderungs-Management), welches meist von Unternehmensberatern durchgeführt bzw. begleitet wird. Optimal ist jedoch, wenn speziell darauf ausgerichtete Querdenker, Innovations-Spezialisten beauftragt werden – insbesondere Coachs und Mentoren mit Fokus auf das Bewusstsein für notwendige Veränderungen innerhalb aller Führungsebenen und im Anschluss bei allen Mitarbeitern. 


Die Herstellung

Um eine effektive Unternehmenskultur aufzubauen, ist es unerlässlich, ein vielseitiges, multidimensionales Modellsystem zu entwickeln und anzuwenden. Dieses System sollte eine umfassende und logisch aufgebaute Überprüfung verschiedener Handlungssegmente innerhalb des Unternehmens beinhalten, wobei auch die Evaluierung und Anpassung bestehender sowie potenziell erforderlicher Managementinstrumente integraler Bestandteil sein muss.

Es ist wichtig, dieses System nicht nur als starres Gerüst, sondern vielmehr als flexibles, anpassungsfähiges Instrument zu betrachten, das in der Lage ist, sich den dynamischen und sich ständig ändernden Anforderungen einer erfolgreichen Unternehmensführung anzupassen. Es soll sowohl bereits Prozesse und Werkzeuge bewerten und qualifizieren, als auch Bedarf an neuen Instrumenten identifizieren und diese bei Bedarf etablieren. Durch einen solchen systematischen und ganzheitlichen Ansatz kann eine robuste, flexible und effiziente Unternehmenskultur gefördert und verankert werden.

Ergo: Um eine Unternehmenskultur zu etablieren benötigt man eine Art multidimensionales Baukastensystem, das in logischer Reihenfolge bestimmte Handlungsbereiche sowie existierende und benötigte Managementwerkzeuge durchleuchten und ggf. qualifizieren bzw. etablieren muss.

Die Bausteine sind (Auszug aus dem erweiterten systemischen Baukasten):

Unternehmens-Identität

Vision, Mission, Ziele (Goals), Leitbild, Werte, gesellschaftlicher Auftrag, Image, etc. wobei die Mission (ehrenvoller Auftrag) und das Image eine größere Bedeutung haben, als meist angenommen.

Unternehmens-Spielregeln

Richtlinien, Hauptprozesse, Organigramme, implizite Wertearbeit (Rituale), etc.

Optimaler Führungsstil

Wertesystemtransport, Feedback, Zielvereinbarungsgespräche, Kommunikationsfähigkeit, Mediationsfähigkeit, soziale Kompetenz, fachlicher Anspruch, Meetingstruktur, etc.

Individuelle Programme

Beispielsweise das Etablieren von wertekonformer Personalentwicklung, Know-how-Standardisierung, Mitarbeiterumfragen, persönliche Entwicklungsprogramme, interdisziplinäre Workshops, etc.

Kennzahlensysteme

Messung der wertorientierten Zielerreichung, Monitoring, harte Faktoren sowie weiche Faktoren (Werteerreichung, Werteschöpfung, Motivationsgrad, etc.), etc.

Organisationsstruktur

Organigramm mit Abbildung der „Werteschöpfungseinheiten“, dynamische Strukturen, Workflows (Wertschöpfung), rollenbedingte Identitätsbeschreibungen der Fachbereiche, grundlegende Meetingkultur/-struktur, etc.

Methodische Einzelmaßnahmen

Workshops, Trainings, Coachings, Mentoring, Supervision, etc.

Internes Erwartungsmanagement

Dialoge zwischen allen „Motiv-Ebenen“: Unternehmensführung, Abteilungen, Fachbereiche, Teams, Einzelpersonen, Inhaber.

Externes Erwartungsmanagement

CRM-System mit Benchmark für bewusste und unbewusste Erwartungen, durch z.B. Umfragen bei Kunden, Zielgruppen, Anspruchsgruppen und der allgemeinen Öffentlichkeit.

Chancenmanagement (in ausgleichender Ergänzung zum Risikomanagement)

Lösungsvorschlagswesen, interner „think tank“, Innovationskreise, Qualitätsoffensiven, Effizienzspiele, Pilotprojekte, Sondermissionen, etc.  

Diese Bausteine sowie jede einzelne Maßnahme zur Etablierung, müssen auf die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens zugeschnitten sein. Die oberste Führung konzentriert sich dabei fast ausschließlich auf das Coaching der Hauptverantwortlichen. So wächst die Kompetenz für jedes Themengebiet innerhalb der Arbeitsgemeinschaft – zunächst bei den Führungskräften und anschließend auch bei den Mitarbeitern.

Baukasten Unternehmenskultur
Baukasten Unternehmenskultur

Ein gut aufbereitetes Projekt dauert in seiner Aufbauphase ca. 6 Monate und in der gesamten Etablierungsphase 3 bis 7 Jahre. Dies hängt jedoch von den Gegebenheiten ab, welche die Aufgabenstellung und die sinnvollen Schnittstellen erst nach einer gründlichen Grundlagenermittlung definieren. Bei Start-ups und technologie- bzw. innovationsgetriebenen Unternehmen kann dieser Prozess in kürzerer Zeit abgeschlossen sein.

Wie man Unternehmenskulturen sukzessive aufbaut

Die grundsätzliche Herleitung einer gewünschten Unternehmenskultur erfolgt in einer logischen Reihenfolge:

  1. Ermittlung und Abgleich aller Motive:
       a) Motivstrukturen der Gründer und/oder Vision
       b) die gewichteten Motive aller Mitarbeiter
  2. Ermittlung und Konsolidierung alle Werte (Kategorien, Arten)
  3. Bildung von aufeinander abgestimmten Wertesystemen
  4. Erstellung eines internen Leitbildes
  5. Ritualisierung der Werte des internen Leitbildes
  6. Erstellung eines externen Leitbildes
  7. Optimierung von CI, Struktur, Management, Ritualen, Storys

Diese Reihenfolge ist zwingend einzuhalten, wenn ein „gelebtes Miteinander für eine ehrenvolle Aufgabe“ erreicht werden soll. Das folgende Schaubild soll dies skizzenhaft verdeutlichen:

Herleitung einer Unternehmenskultur
Herleitung einer Unternehmenskultur

Werte proaktiv „leben“

Unternehmenswerte verkörpern, symbolisieren oder beschreiben die positiven und motivierten Qualitätsmerkmale von Gruppen, insofern sie von der Mehrzahl der Mitarbeiter und Anspruchsgruppen als moralisch und/oder ethisch empfunden werden. Jede Unternehmenskultur bildet somit ihr eigenes Wertesystem. Innerhalb von derartigen Kulturen gibt es sublimierte Werte, die gerne als Tugenden bezeichnet werden, welche miteinander konkurrieren[2] oder sich ergänzen können.

Eine integre Lebensgemeinschaft (Kultur) prägt Werte und gibt sie weiter. Daraus entstehen kollektive Rituale sowie individuelle Verhaltensweisen zum Schutz und zum Wachstum der Gruppe. Innerhalb von Organisationen (Firmen, Gesellschaften, Genossenschaften, Kommunen, Behörden) gibt es sehr unterschiedliche Bewertungen von Werten – je nach Stellung, Position und Rolle. Daraus resultieren Erwartungen und Wertvorstellungen, die implizierenden Charakter aufweisen. Es werden quasi Forderungen in das Unternehmen hinein bzw. an die anderen Hierarchieebenen gestellt.

Damit Werte „gelebt“ werden können, müssen sie einflussnehmender Teil der gesamten Kommunikation und Prozesse sein. Hier spielen z.B. der Führungsstil, das Leitbild, die Meetingkultur, das Konfliktmanagement sowie eine transparente Organisationsstruktur eine wesentliche Rolle.

[2] Siehe Kapitel „Werte-Antonyme“


Corporate Identity

Corporate Identity (CI) ist eine wichtige Disziplin innerhalb von „Corporate Culture“ (Unternehmenskultur) und hat zunächst wenig mit Corporate Design zu tun, das ein nachgeordnetes Element der Unternehmenskommunikation ist.

Die CI ist quasi die Persönlichkeit des Unternehmens, welche Wertvorstellungen, Qualitätsmerkmale und gesellschaftliche Aufträge (Mission) in den Vordergrund stellt. Hierauf soll jedes Handeln (und Denken; auch „Geisteshaltung“) ausgerichtet sein und in einem gewünschten Image (Abbild, Renommee, Ansehen) münden.


Unternehmensleitbild

Das Leitbild ist ein Element des übergeordneten normativen Rahmens eines Unternehmens in dem es den Grund (Basis-Motiv) seines Daseins, in Form von Nutzenversprechen gegenüber seinen Anspruchsgruppen darlegt (strategisches Management).

Es ist eine bündige Beschreibung der motivierenden Leitmotive, welche aus dem Produktnutzen, dem gewünschten Image, der Corporate Identity, dem Anspruchsdenken, der Geisteshaltung und den Marktpotentialen zusammengefasst wird. Ein besonderer Effekt ist, dass bereits beim Lesen der Wille entsteht, einen Beitrag hierfür leisten zu wollen, ein Teil dieses Teams zu sein und dieses Leitbild nach innen sowie nach außen zu leben und zu beschützen.

Ein verkürztes Leitbild wird auch „Mission Statement“ (englisch) oder kurz „Mission“ genannt.

Anmerkung: Wie man für Organisationen ein Leitbild erstellt ist im Artikel „Leitbilderstellung“ in der Rubrik „Wertearbeit“ kurz beschrieben (mit Verweis zu den ausführlichen Beschreibungen).


In den Medien

Kulturwandel 4.0 bei der Otto Group: Tobias Krüger im Gespräch mit Sebastian Purps-Pardigol

Veröffentlicht 2020 vom YouTube-Kanal „Sebastian Purps-Pardigol“

Im Geschäftsjahr 2014/2015 schrieb die Otto Group erstmals rote Zahlen. Tobias Krüger war Teil eines Strategie-Teams, das damals beauftragt wurde, die Ursachen herauszufinden.

Die Otto Group besteht aus vielen eigenständigen Firmen wie beispielsweise Schwab, SportScheck, mytoys, Manufactum, Hermes und weiteren – Tobias geht mit seinem Team tief in die einzelnen Kulturwandel-Prozesse hinein, lernt jedoch auch viel auf der Metaebene und sorgt dafür, dass Erkenntnisse einzelner Veränderungen für alle verfügbar gemacht werden.

Dieses Gespräch sollte Jeder gesehen haben, der sich mit Kulturwandel in der eigenen Organisation beschäftigt – Tobias spricht sehr konkret und mit hoher Informationsdichte über den Kulturwandel 4.0 bei der Otto Group – und wieso beispielsweise die Anweisungen des CEO nicht mehr blind umgesetzt werden.

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Simon Sagmeister: „Ticken wir noch richtig? Unternehmenskultur sichtbar machen“

Veröffentlicht am 15.05.2023 vom YouTube-Kanal „cucocu_com“

Kultur ist Herz, Verstand und Seele einer Organisation. Sie ist dafür verantwortlich, wie Menschen in einer Organisation wahrnehmen, denken, fühlen und handeln. Kultur bestimmt, wie die Organisation tickt. Mit der Culture Map wird Kultur greifbar, diskutierbar und gestaltbar. Wie genau, erzählt Simon Sagmeister, Gründer des The Culture Institute und Partner des Science House New York, in seinem Impuls.

Ein Vortrag beim „22butterfly Corporate Karisma Festival“ im Mai 2022, Posthof Linz (https://cucocu.com/22butterfly-reflexionen-und-talks➚)

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Verweise


Letzte Bearbeitung am 01.06.2023
Letztes Video und Verweise hinzugefügt am 06.02.2024

Autor: Frank H. Sauer

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